Nach dem ich die letzten Tage und Wochen damit beschäftigt war meinen Schreibtisch wieder frei zu schaufeln (183 ungelesene Mails! Hallo?) möchte ich kurz die Gelegenheit nutzen und Björns Tagebuch ein paar nette Zeilen widmen.
Kurz, für die Unwissenden unter euch: Ich hatte die große Freude über Weihnachten und Neujahr meinen Sommerurlaub in Australien nachzuholen, dabei Björn zu besuchen und mir die bunte und verrückte Welt der australischen Backpackerszene ein wenig genauer anzuschauen.
Wer Australien kennt (das 6. größte Land der Erde) weiß natürlich das vier Wochen viel, viel zu kurz sind um Land, Leute und Kultur – äääh: Land, Leute, Barbecue und Surfen – wirklich kennen zu lernen. Wer jedoch einen deutschen Arbeitgeber hat, weiß ebenfalls, dass knapp fünf Wochen Urlaub am Stück fast ein Ding der Unmöglichkeit sind.
Umso größer also die Freude als es Anfang Dezember ab in den Flieger nach Australien ging um Björn mal einen kleinen Besuch abzustatten. ;-) Treffpunkt nach 1 Millionen Stunden Flug war Carins (nördliche Ostküste). Von dort starteten wir nach einigen Tagesausflügen in der näheren Umgebung unsere eigentliche Tour an der Ostküste entlang. Mit der Flexibilität von Björns Auto, dem Entdeckungsdrang eines Stresstouristen und der Weißheit über Ort und Zeit eines Aboriginies (Björn war so braun, dass ihn Engländer auf der Straße angesprochen haben ob er ihnen ein Boomerang verkaufen kann) fuhren wir in den folgenden knapp 4 Wochen durch Dörfer, Städte, Flüsse, Wälder, kurzum über Stock und Stein bis wir nach etwa 3000 km in Sydney angelangt waren. Nun was soll ich sagen? Traumhafte Strände, hübsche Dörfchen, subtropischer Regenwald, 30°C im Schatten, weise Sandstrandinseln, Delphine, Koalas, Schlangen, Kängurus und natürlich Backpackers!
Zu den Letztgenannten eine kleine nette Geschichte zur Auflockerung:
Nach unserem 3-Tage-Segeltörn checkten wir am späten Nachmittag im Seaview-Hostel (Airlie Beach) in ein 16er Dorm ein (d.h. 16 Betten, 1 Küche, 1 Bad). Das gut die Hälfte der Zimmerbesetzung am helligten Tag in ihren Betten dahinvegetierten machte mich stutzig, aber gut „ist halt Klassenfahrt“ dachte ich mir. Als sich dann gegen 20 Uhr eine Australierin, eine Engländerin und eine Schwedin auf den bevorstehenden Abend vorbereiteten staunte ich nicht schlecht. Da wurden aus den dreckigsten Rücksäcken High-Heels, Schmuck, Nagellack, ja sogar Ballkleider gezaubert und sich auf den bevorstehenden Abend (ähnlich wie bei der Oscarverleihung) vorbereitet. Bevor es dann aber raus auf die Piste ging wurde Vorgeglüht! Und um das einfache Vorglühen (standesgemäß mit einem edlen 5-Liter-Pizzataxi-Weinbeutel) etwas heiterer zu gestallten wurde sich kurzerhand auf das Spiel „Wahrheit oder Pflicht“ geeinigt. Die lustige Spielrunde wurde dann auch gleich mit der dezenten 50-Euro-Einstigsfrage „spit or swallow?“ eröffnet. In den darauf folgenden zwei Stunden hatte ich das unvergessliche Vergnügen ein „klitzekleines Bisschen“ über die Erfahrungen, Erlebnisse, Vorliegen, Abneigungen, Einstellungen und Stellungen sowieso der anwesenden Damen zu erfahren. Kurzum alles was Mann halt mal so über bzw. von Frauen wissen (oder auch manchmal besser nicht wissen) wollte. Zu späterer Stunde haben wir dann noch einen Streifzug durchs örtliche Nachtleben gestartet. Ein paar Drinks, etwas zappeln, Locations wechseln und viel dummes Zeug labern, das übliche eben. Da mir der Segeltörn noch etwas in den Knochen steckte verabschiedete ich mich etwas früher von der Party und stellte mit großer Freud fest, dass das Hostel-Zimmer noch völlig leer war. Also zur Abwechslung mal Ruhe im Karton! Nach dem ich jedoch die Augen für etwa 5 Minuten geschlossen hatte wurde ich durch lautes Geschrei, Geklopfe und Gehämmer aus meinem Dämmerzustand gerissen. Quelle dieses ohrenbetäubenden Lärms waren drei halbstarke Skandinavier, die unserem Hostel-Hausmeister Paul nachts um drei halt mal die Fresse polieren wollten. Keine Ahnung warum oder wieso, verdient hätte er es eigentlich auch, aber das ist eine andere Geschichte. Im Prinzipe wäre mir das alles ja auch egal gewesen, wenn der Austragungsort dieser kleinen Auseinandersetzung nicht direkt unter unserem Schlafzimmer läge. Glücklicherweise beendete nach etwa 30 Minuten die regionale Polizei dies dann und befreite Paul und seinen Handlanger aus seiner 2m²-Bürokiste, in der sie sich verschanzt hatten. Nachdem die Polizei den Rädelsführer der Skandinavier dann noch kurzerhand überredetet die kommende Nacht in ihrem Hostel-Zimmer zu verbringen, kehrt dann auch wieder Ruhe ein. Ich kroch zurück in mein Etagenbett und versuchte den roten Faden ins Land der glücklichen Träume wieder zu finden als ich hörte wie sich die Zimmertür leise öffnete und unmittelbar darauf das Geräusch eines umfallenden Reissacks (schätzungsweise 70kg schwer) den Raum durchdrang. Alles halb so schlimm und vor allem nicht mein Problem dachte ich mir, wären daraufhin nicht diese elenden hässlichen Würge-, Röchel- und Winsellaute gefolgt. Ich also in alter Pfadfindermanier Licht an und die gestrandete Robbe (Engländerin, etwa 32 Jahre alt) an den Futtertrog gezerrt, damit diese sich die gesamte vernichtete Getränkepalette des vergangenen Abends noch mal kurz durch den Kopf gehen lassen konnte. Unfair an der Sache war, dass mir die dazugekommene Freundin der Robbe überflüssigerweise ein striktes Fotografierverbot erteilte. Scheiß Tierschützer eben! Als ich dann gegen halb fünf endlich den dritten Einschlafversuch starten konnte sah ich ständig dieses neonfarbene Schild vor meinen Augen: Klassenfahrt!
Aber zugegebenermaßen sahen – eben wie bei einer richtigen Klassenfahrt – nicht alle Tage und Nächte so erlebnisreich aus. Auf der wilden Reise durch diverse Hostels, Hotels und Campingplätze haben wir wirklich super nette und interessante Menschen aus aller Hergottsländer kennen gelernt. Wobei der Kartoffelfaktor, zumindest an der Ostküste, erschreckend hoch ist (wie uns berichtet wurde, wurde das „Work&Travel“-Visa 2006 an ca. 1 Mio. Deutsche vergeben, noch Fragen?). Aber gut, selbst mit Kartoffeln kann man Spaß haben ;-)
Auf die landschaftliche Vielfalt und Schönheit Australiens näher einzugehen erspare ich uns hier mal. Lediglich soviel, dass mir abseits von Stress, Hektik und dem ganzen Alltag wieder mal bewusst geworden ist wie viel bzw. wie wenig man eigentlich braucht im Leben. Dass Björn jetzt seit fast einem Jahr in bzw. aus einem Ford Falcon Kombi lebt und immer noch die gleiche Badehose trägt, die er am ersten Tag in Australien angezogen hat, meine ich jetzt nicht. Vielmehr die Tatsache, dass Job, Haus, Auto und Geld eben nicht immer alles sind verglichen mit Familie, Gesundheit, Freizeit und Freunden!
Nun denn, zum krönenden Abschluss seien den KJs (die mich natürlich mit Fragen: Wie geht es BJ?, Was macht BJ? löchern)noch einige Zeilen gewidmet. Und um es gleich auf den Punkt zu bringen zwei Zitate, die ich in den letzten Wochen – wohl gemerkt von Frauen – gehört habe: „Australien? Das ist doch die reinste Porn-Party!“, „Wir ham doch keine Zeit!“ worauf dann gnadenlos rumgeschnullert wurde. Kurz um geht dort einiges (wenn man es den will!). Ohne es statistisch ausgewertet zu haben, findet der Durchschnittsbackpacker komischerweise 1- bis 2-mal die Woche sein eigenes Hostelbett nicht mehr, so dass er/sie einfach das nächstbeste Bett anvisiert und dort um Unterkunft bittet. Ich habe einen Kölner getroffen (und der Typ „war echt der Hammer!“), der nach vier Tagen (und drei Nächten) wieder auscheckte und sein unbenutztes Bettzeug an der Rezeption abgab. Noch Fragen?
Nun, in diesem Sinne: Nochmals 1000 Dank für die echt coolen und lustigen 4 Wochen, mit dir Björn. Auch wenn es manchmal etwas (zu)schnell ging hat es mir wirklich super viel Spaß gemacht!
Schönen Gruß an den Rest Raphael der Stresstourist
deine einschaetzung und sicht der dinge sind doch erstaunlich nah an dem was ich zur selben zeit erlebt habe. nur hab ich am ende nicht verstanden, als du meintest es ging dir manchmal etwas (zu) schnell. :-)
@everybody: who is next? @Ravie: yo,mate it was a really good time with U2!
Mich hat ja nicht nur erstaunt, was man alles so aus dem Namen Raphael machen kann.....sondern auch die Tatsache, daß es fuer mich ein Vergnuegen war,den unterhaltsamen und witzigen Report zu lesen. Eine wunderbare Ergaenzung zu den (wenn auch z.Zt. noch in der Schublade liegenden )ebenso mit Begeisterung erwarteten Informationen von Bjoern. Resümee: Ihr Beide solltet Euch zusammen tun, eine unbeschwerte-- stressfreie und nicht zu schnelle -- Zeit in Australien haben, um dann anschliessend unter die Schriftsteller zu gehen und einen gemeinsamen Erlebnisbericht zu schreiben. Ich glaube, das würde ein Bestseller !!!! Und nichts könnte Euch dann mehr aufhalten, Döner zu kaufen und diese mit so viel Genuss zu verspeisen, wie auf dem Foto von Bjoern zu sehen ist. An dieser Stelle ,lieber Bjoern, wuensche ich Dir eine positive Entwicklung für Deine Zeit in Australien. An alle Fans dieser Seite: Gruß aus Koeln mit einem kraeftigen KOELLE ALLAAF !!!