Warum eigentlich Australien?
… “ich werde mir Urlaub nehmen, so lange ich brauche. Nur um Spass zu haben? Nein! Ich will herausfinden, warum ich arbeite. Die Antwort kann doch nicht sein, nur Rechnungen zu bezahlen und mehr Geld anzuhäufen… Ich werde es nicht herausfinden, während ich hinter irgendeinem Schreibtisch sitze. Also haue ich für eine Weile ab, sobald ich genug Geld zusammen hab. Komme zurück und arbeite, wenn ich weiß wofür ich arbeite.” Diesen Abschnitt habe ich in einem Buch gelesen, welches mir vor längerer Zeit eine liebe Freundin geschenkt hat – Katja. Dieses Buch “Aussteigen auf Zeit“ hat bestimmt mit dazu beigetragen, dass ich vor über 2 Jahren einen beherzten entschluss gefasst und gesagt habe: “Ja, ich mach das jetzt!” Die Idee nach Australien zu gehen ist dann mit Hilfe eines Freundes geboren – Kevin. Somit sind zwei wichtige Menschen in meinem Leben zu Schluesselfiguren geworden, die mich dazu bewegt haben, diesen Schritt zu wagen. Ich hatte die beste Entscheidung meines Lebens getroffen.
Aber warum Australien? Und was hat mich letztendlich zu dieser entscheidung gefuehrt? Welche Vorbereitungen muss man treffen und welche Aengste und Sorgen hat man? Der Wunsch, alles mal hinter sich zu lassen und unbegrenzt Zeit fuer sich alleine zu haben, ist keine exotische Idee. In fast jedem stecken diese Ausbrechertraeume und werden sie nicht auch ausserhalb der Tourismusbranche einem immer wieder suggeriert? Die “Traumkueche”, das “Moebelparadies” , die “Fitness oase”. Mit ein paar staubigen Kunstpalmen irgendwo in einem schaebigen Gewerbegebiet sind dies doch nur traurige Raubkopien der ganz grossen Sehnsuechte, denen nach zugehen sich die meisten gar nicht mehr trauen. Ich hatte diesen Traum schon seit Jahren, einfach meinen Rucksack zu packen und Deutschland fuer einige Zeit den Ruecken zu zukehren – allein und moeglichst weit weg. Je grosser diese Traeume und Sehnsuechte sind, desto hoeher ist die Hemmschwelle sie zu verwirklichen. Dabei gehoert in den wenigsten Faellen nicht mehr als nur wenig Mut dazu. Denn weder Geldsorgen – fuer die meisten irrtuemlicherweise der groesste Hinterungsgrund – noch sonst irgendjemand, ob Familie, Freunde oder der Arbeitgeber kann uns daran hindern. Es gibt kein Gesetz das uns verbietet sich nur um uns selbst zu kuemmern. Das halbe Leben besteht aus Parolen wie: “ich muss noch..” und “ich hab keine Zeit.” Ist es aber – mal ganz nebenbei gesagt – nicht das schoenste, wenn man Zeit fuer sich selbst hat oder zeit, um sich um seine Freunde zu kuemmern? Am Ende unseres Lebens werden wir nicht die Dinge bedauern, die schief gelaufen sind oder die wir falsch gemacht haben, sondern das, was wir nicht gemacht haben. Warum tun wir es dann nicht einfach? Warscheinlich, weil wir vor allem Unbekannten zurueckschrecken. Dabei sollte einen nicht das weggehen und reisen, sondern das daheim bleiben und seinen hintern nicht hochkriegen angst machen, denn das ist auf dauer wesentlich deprimierender.Leider werden uns in diesem Land Risikobereitschaft und Abenteuerlust nicht gerade in die Wiege gelegt und somit ist die Vorstellunng einfach mal einige Zeit diesen Planeten zu erkunden und diesen tief in einem schlummernden Traum wahr zu machen, nicht gerade verbreitet. Ein Leben bis zum 70. Lebensjahr inklusive Enkelkinder , Eigenheim und Rentensicherung durchzuplanen scheint den meisten selbstverstaendlich. Ausbrechertraeume und Abenteuerreisen ohne Wecker, ohne geregelten Tagesablauf, ohne feste Arbeit und ohne festen Wohnsitz dagegen als suspekt. Dabei macht es richtig Spass und man ist befreit von saemtlichem Ballast. Dieses Gefuehl der totalen Freiheit stellte sich schon ein, als der Flieger in Frankfuert vom rollfeld abhob.
Mit dem nehmen der Auszeit ist es wie mit dem Kinderkriegen: Eigentlich ist gerade jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Aber wenn man auf den wartet, dann tut man es nie. Wer an dem Punkt angelangt ist, wo im eigenen Kopf in schoener regelmaessigkeit die Warnung: “das kann doch nicht alles gewesen sein“ aufleuchtet, der sollte sich gluecklich schaetzen. Damit ist schonmal die Grundvoraussetzung geschafft fuer den Angriff auf das groesste und zugleich simpleste Abenteuer des Lebens. Wenn man ganz ehrlich ist, muesste man sich eingestehen, dass man einer von den Leuten geworden ist, vor denen man sich und andere frueher gewarnt hat: eingebunden in Familie und Job, festgefahren, angepasst. Zu guter letzt draengt sich noch die erschreckende Tatsache auf, dass sich an dieser Situation von selbst so schnell nichts aendern wird. Man steht aber nicht in irgendeiner Misere, sondern einfach nur in einem ganz normalen Leben. Der richtige Zeitpunkt ist dann, wenn man das Gefuehl hat eine bestimmte Lebens- oder Arbeitsphase ist abgeschlossen und es waere in irgendeiner Form veraenderung noetig. Zufaelliger Weise spielen sich diese Phasen in einem sieben Jahresrhythmus ab. Zwischen der Idee und der tatsaechlichen Abreise lagen bei mir genau 6 monate und tatsaechlich war mein Abflug fast 7 Jahre nach Beendigung meiner Ausbildung. Allerdings wollte ich schon vor mehreren Jahren in meinem Leben etwas veraendern, da sich dieses Gefuehl “da-kann-noch-nicht-alles-gewesen-sein” schon zu diesem Zeitpunkt eingestellt hatte. Die Erkenntnis, dass das was mein Leben veraendern sollte nicht das Sportstudium ist, kam mir im Sommer 2005 nach einem unbefriedigenden 1. Semester an der Sporthochschule Koeln – es war ein erster Versuch.
Was will ich vom Leben? Will ich immer nur der naechst groesseren Zahl hinterher laufen? Gesellschaftlicher Status wird mich nicht weiter bringen das habe ich erkannt. Ich brauche das neueste Auto nicht und ich brauche auch das groesste Haus nicht. Wir sind so beschaeftigt mit unserem taeglichen Kleinkram: Karriere, Familie, genuegend Geld zu haben, das Haus abzuzahlen, ein Auto zu kaufen, die Heizung zu reparieren – wir sind mit Millionen von kleine Dingen beschaftigt, nur um weiter zum leben. Deshalb sind wir es nicht gewoehnt, einen Schritt zurueckzutreten, uns unser Leben anzuschauen und uns zu fragen: ist das alles? Ist das alles was ich will? Oder fehlt irgend etwas?
Es war Sonntag. Ein schoener Tag, um mal wieder eine runde mit dem Fahrrad zu drehen. Schon bald merkte ich, dass die momentane Unzufriedenheit mir die letzte Kraft raubte. Daraufhin beschlossen Kevin und ich ein wenig abzukuerzen und bei ihm zu hause klartext zu reden. “Du bist ein guter Handwerker, bleib bei deinem Beruf und mach da was draus…” hatte er gesagt. “…und wenn nicht hier in Deutschland, dann geh mal ins Ausland, so wie ich das gemacht habe nach Irland. Das bringt dich weiter! Wie waer’s mit Australien, die suchen Handwerker ohne Ende…” Diese worte fielen an jenem Sonntag (04.september 2005) gegen 19 uhr. Genau eine Stunde spaeter habe ich gesagt:” ja, ich mach’s! Ich geh nach Australien! Und egal was passiert - ich bleibe ein Jahr!” Waehrend unseres gespraechs kamen natuerlich auch zweifel auf. Doch dann hatte er folgendes zu mir gesagt:” Bjoern, Du bist mein bester Kumpel und wenn du irgendwann mal irgendwo am Ende dieser Welt bist und nicht weiter weisst, dann ruf mich an, dann knall ich denen 1000 Euro auf die Theke und hol’ dich nach Hause. Dann machen wir hier ne Maenner-WG und du kannst erstmal bei mir arbeiten…!” Das Selbstbewusstsein steigert sich zunehmend je naeher der Tag der Abreise rueckt und dieses Gefuehl wird noch staerker, wenn man erstmal unterwegs ist und feststellt, wie gut man alleine zurechtkommt. Dann wird einem erst bewusst, wie gluecklich man sich schaetzen kann, diese Moeglichkeit zu haben, mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und einigen Jahren Berufserfahrung im Ruecken, in ein fremdes Land zu gehen und dort zu arbeiten. Nicht allen Menschen steht dieses Tor zur Welt offen. Das allernoetigste ist ein Flugticket und die Erkenntnis, dass es ohne Arbeit und Geld auf Dauer nicht funktioniert. Als ich an jenem Sonntag nach Hause fuhr, konnte ich es kaum erwarten damit anzufangen, womit man auch definitiv zuerst beginnen sollte, sich naemlich von all den sinnlosen und nutzlosen , ueberfluessigen dingen zu trennen, von denen man taeglich umgeben ist und die einen immer nur noch mehr davon abgehalten hatten eine Auszeit zu nehmen. In den folgenden Wochen hatten mir Ebay, Flohmaerkte, Freunde und der staedtische Sperrmuelldienst dabei geholfen mich von den meisten Dingen zu befreien. Gluecklicherweise konnte ich die ein Semester zuvor gekuendigte Beschaeftigung nach einem Telefonanruf am naechsten Tag dierkt wieder aufnehmen. Das ist natuerlich ein Luxus, den man gerade in der heutigen Zeit in diesem Land besonders zu schaetzen wissen sollte. Mit der Beantragung des Work&Travel visa, dem kuemmern um das guenstigste Flugticket, der Exmatrikulation, dem entledigen aller unnuetzen dinge, kuendigen aller Dauerkostenverursacher, sowie Versicherungen, der Beantragung eines neuen Reisepasses und internationalen Fuehrerscheins, sowie dem Finden eines Nachmieters, Autokaeufers und der passenden Auslandskrankenversicherung bis hin zu Kraftfahrzeugabmeldungen und Adressaenderungen bei samtlichen Aemtern und Institutionen, war ich waehrend meiner vollzeitanstellung als freier mitarbeiter in den kommenden Monaten noch gut im Freizeitstress. Rechnungen sowie die Steuererklaerung , Umzugsvorbereitungen und meine abschiedsparty liessen diese Phase bis zum letzten Tag nicht abreissen. Und dann auf einmal sitzt man im Flieger – nicht einmal Zeit gehabt sich darauf vorzubereiten, was einen nach der Landung erwarten wird. Aber genau das wollte ich auch. Nur ein Flugticket und sonst nichts. Einfach mal sehen was passiert, nachdem man in einer Metropole wie Bangkok am Flughafen seinen Rucksack vom Gepaeckband genommen hat. Die gleiche situation erwartete mich dann in Sydney noch einmal. Und wieder habe ich mir an der Flughafeninformation einen Stadtplan geben lassen und bin einfach dahin gefahren, was sich am vielversprechensten anhoerte. Hat man erstmal eine Uebernachtungsmoeglichkeit gefunden, kann das Abenteur beginnen…
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